Gewaltkriminalität: FDP: Gescheiterte Abschiebung zeigt „tickende Zeitbombe“

Der Terroranschlag von Solingen und die Brandstiftung von Schleiden haben eine Gemeinsamkeit: In beiden Fällen sind Männer tatverdächtig, deren Abschiebung scheiterte – ein heikles Thema im Landtag.

Der mutmaßliche Brandstifter, der im November Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft in Schleiden gelegt haben soll, war bereits wegen zahlreicher weiterer krimineller Verdachtsfälle polizeibekannt. Eigentlich hätte der abgelehnte Asylbewerber schon spätestens im Juli 2024 aus der Bundesrepublik ausreisen müssen. Das berichtete die nordrhein-westfälische Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) im Integrationsausschuss des Düsseldorfer Landtags.

Opposition: Gefahr wurde nicht erkannt

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Marc Lürbke, sprach angesichts der Liste der mutmaßlichen Straftaten, martialischen Drohungen und des langjährigen Aufenthalts des Mannes von einer „tickenden Zeitbombe“. 

Dem Beschuldigten wird wegen des Feuers in der Flüchtlingseinrichtung in Schleiden-Vogelsang versuchter Mord in sieben Fällen, schwere Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. In der zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes im Kreis Euskirchen leben insgesamt rund 350 Asylbewerber. 

Der Mann sei nach eigenen Angaben ein 35-jähriger algerischer Staatsbürger, berichtete Paul. Allerdings sei seine Identität noch immer ungeklärt. Aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens sei der Beschuldigte einstweilig in der forensischen Psychiatrie untergebracht.

Der Mann war bereits im Dezember 2015 in die Bundesrepublik eingereist und erstmals im baden-württembergischen Leonberg registriert worden. Acht Jahre später äußerte er ein Asylgesuch in Bochum. Wo er sich dazwischen aufgehalten hat, ist unbekannt.

Eine Kette von Ermittlungsverfahren

Unterwegs hatte er aber schon vor der Brandstiftung immer wieder Spuren bei der Polizei hinterlassen – allerdings ohne einschneidende Konsequenzen, monierte die FDP. Laut polizeilichem Informationssystem seien gegen den Beschuldigten Ermittlungsverfahren geführt worden wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern, Betrugs, Untreue, Diebstahl und Drogendelikten, schilderte Paul. 

Auch ein Selbsttötungsversuch vom April 2024 sei dort verzeichnet. Im vergangenen November habe der Mann dann in seinem Zimmer in der Schleidener Unterkunft drei Klingen eines Cuttermessers geschluckt. 

Laut Akte der Ausländerbehörde Köln habe diese aber erst im vergangenen September in Vorbereitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen Einsicht in das Informationssystem genommen. Davor habe die Ausländerbehörde nur Kenntnis über Betrug und Diebstahlsdelikte gehabt. 

Verdacht des Kindesmissbrauchs und Morddrohungen

Im Dezember habe die Ausländerbehörde dann seine Personalakte aus Leonberg bekommen über seinen dortigen Aufenthalt 2015 und 2016. Daraus hätten sich weitere Informationen ergeben, berichtete Paul. Unter anderem zur Einleitung eines Strafverfahrens wegen sexuellen Missbrauchs und sexuellen exhibitionistischen Handlungen an Minderjährigen.

Im Februar 2016 sei zudem ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten eingeleitet worden. In betrunkenem Zustand habe er mehrfach angegeben, er sei bei der Mafia und habe bereits in Algerien Menschen erschossen. „Er bedrohte die geschädigten Personen und drohte, sie umzubringen“, sagte Paul.

Im Frühjahr 2024 sei er durch die Amtsgerichte in Bonn und Köln wegen Diebstahls rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt worden. Die Ermittlungen wegen des Vorwurfs, eine 13-Jährige im Februar 2024 unsittlich berührt zu haben, dauerten an. 

Ist der Staat paralysiert? 

Lürbke sprach von einem „krassen Fall“. Angesichts der angesammelten Fälle klinge es so als wäre der Rechtsstaat ohnmächtig und hilflos, sagte der FDP-Politiker. Das von dem Mann ausgehende Sicherheitsrisiko sei von der Ministerin in einer Antwort auf eine FDP-Anfrage zuvor nicht umfänglich benannt worden. Paul wies das zurück.

Dem Asylsuchenden war bereits im Juni 2024 der ablehnende Bescheid zugestellt worden mit der Aufforderung, binnen einer Woche auszureisen. Zu einer Anhörung erschien er nicht, ein Beratungsgespräch der Kölner Ausländerbehörde zu einer freiwilligen Ausreise lehnte er ab. 

Anschließend wurde sicherheitshalber gleich ein Passersatzpapierverfahren für drei Staaten eingeleitet: Algerien, Marokko und Tunesien. Außerdem wurde ein Personenfeststellungsverfahren in die Wege geleitet. Ohne geklärte Identität und Papiere sei eine Abschiebung ohnehin nicht möglich, erklärte Paul.