Er ist der Mann, der mit seinem Start-up für Furore an der Börse sorgt: Liang Wenfeng. Seine Deepseek-KI soll sich gegen ChatGPT behaupten können. Was ist über den Gründer bekannt?
Hellgrauer Dreiteiler, markante Hornbrille, das schwarze glatte Haar fällt leicht über die Stirn. Sein Gesicht wirkt jugendlich, der Blick konzentriert und die Hände sind leicht gefaltet. Sieht so Chinas neuer Nationalheld aus?
Öffentliche Fotos oder Videoaufnahmen gab es von Liang Wenfeng bislang nur wenige. Doch der vierzigsekündige Clip auf Youtube, der den Gründer des KI-Start-ups Deepseek im Gespräch mit dem chinesischen Premierminister Li Qiang zeigen soll, scheint authentisch.
Bei dem Treffen vor einer Woche soll der 40-Jährige gemeinsam mit anderen Branchenvertretern sein Know-how für den sogenannten Arbeitsbericht der Regierung eingebracht haben – eine politische Agenda für das kommende Jahr. Das Erreichen von Unabhängigkeit bei Schlüsseltechnologien wie der Künstlichen Intelligenz hat für Chinas Staatsführung oberste Priorität.
Deepseek-Gründer 1985 in Zhanjiang geboren
Liang Wenfeng dürfte dazu in den vergangenen Tagen besonders beigetragen haben, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Sein KI-Start-up Deepseek beherrscht die Schlagzeilen und nährt unter Analysten Zweifel an der vermeintlichen Technologieführerschaft der USA.
Die Kurse großer US-Konzerne wie Meta oder Alphabet gerieten zu Wochenbeginn stark unter Druck, vor allem der Chip-Hersteller Nvidia sorgte für einen schwarzen Montag an den Tech-Börsen. Annähernd 20 Prozent ging die Aktie des US-Unternehmens in der Spitze ins Minus. Rund eine Billion Dollar an Gesamt-Börsenwert wurden über alle Tech-Werte vernichtet.
Der Hintergrund: Ein neues Sprachmodell für künstliche Intelligenz, das Deepseek vor rund einer Woche veröffentlichte. Es ist vergleichbar mit etablierten Tools wie ChatGPT und soll sich in Tests nicht nur robust zeigen. Vieles deutet daraufhin, dass das Deepseek-Modell („R1“) erheblich kostengünstiger entwickelt wurde und Chips mit geringerer Leistung nutzt.
Von einem „Sputnik-Moment“ der KI sprach Risikokapitalgeber Marc Andreessen – angelehnt an den Beginn des Wettlaufs in der Raumfahrt in den 50er-Jahren. „DeepSeek R1 ist einer der erstaunlichsten und beeindruckendsten Durchbrüche, die ich je gesehen habe – und als Open Source ein tiefgreifendes Geschenk an die Welt“, schrieb Andreessen.
Und eben dieser 40-Jährige Liang Wenfeng soll der führende Kopf hinter dem Durchbruch sein. Öffentlichen Quellen zufolge wurde er 1985 in Zhanjiang, einer Stadt mit rund zwei Millionen Einwohnern in der südostchinesischen Provinz Guangdong geboren. Wenfeng hat einen Hochschulabschluss in Informatik von der Universität in Zhejiang. Sein Interesse im Studium soll besonders der Frage gegolten haben, wie sich Investitionsentscheidungen automatisieren lassen. Medienberichten zufolge war er auch an mehreren Forschungsarbeiten zu dem Thema beteiligt.
Erste Firmengründung: ein KI-Hedgefonds
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse mündeten 2015 in einer ersten Firmengründung. Wenfeng baute den Hedgefonds High-Flyer auf, mit einem für damalige Verhältnisse noch ungewöhnlichen Ansatz: Bei der Auswahl von Investments setzte das Unternehmen auf Algorithmen und mathematische Berechnungen, statt Meinungen einzelner Analysten zu vertrauen. Eigene KI-Modelle halfen dabei.
Im Jahr 2019 war High-Flyer der erste sogenannte quantitative Hedgefonds in China, der mehr als 100 Mrd. Yuan (13 Mio. US-Dollar) einwerben konnte. Schon damals hatte Wenfeng offenbar das Ziel, ein Gegengewicht zu den großen US-Tech-Konzernen aufzubauen: „Wenn die USA quantitatives Trading nutzen, warum nicht auch China?“, soll er laut BBC in einer Rede gesagt haben.
GEO+ KI im Schulunterricht 12.43
Ein Erfolgsrezept des Unternehmers: Ein gewiefter Umgang mit knapp verfügbaren Computerchips. Für den Handel habe sich sein Hedgefonds zunächst mit tausenden Halbleitern des US-Herstellers Nvidia eingedeckt, was sich nach Inkrafttreten eines Exportverbots durch die US-Regierung 2022 ausgezahlt haben soll. Dadurch sei das Team von Wenfeng gezwungen gewesen, die Möglichkeiten der vorhandenen Nvidia-Chips maximal auszureizen. „Er hat ein außergewöhnliches Infrastruktur-Team aufgebaut, das wirklich versteht, wie die Chips funktionieren“, sagte ein Investor der „Financial Times„.
Liang Wenfengs Durchbruch mit Deepseek
Für Liang Wenfeng und sein Team ergaben sich so offenbar auch wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung von Sprachmodellen – in der Fachsprache Large Language Models (LLMs) genannt. Eine der Lehren soll etwa gewesen sein, dass sich KI-Tools wie ChatGPT deutlicher kostengünstiger entwickeln lassen, wenn man aus großen Sprachmodellen einfach kleinere Modelle für spezifische Einsatzzwecke extrahiert. Dies brachte Wenfeng dazu, den Fokus von seinem KI-Hedgefonds verstärkt auf ein separiertes KI-Start-up mit eigenem Sprachmodell zu legen – 2023 gründete er Deepseek.
Das Start-up wird bislang vollständig aus den Mitteln von Wenfengs eigenem Hedgefonds finanziert, was ihm scheinbar auch den Zugang zu qualifizierten KI-Entwicklern ermöglicht. Medienberichten zufolge bietet Deepseek ein Gehaltsniveau, das es sonst nur bei den großen chinesischen Tech-Unternehmen wie der Tiktok-Mutter Bytedance gibt.
Gerechnet haben damit wohl selbst in China nur wenige. Wenfeng sei bis vor wenigen Jahren noch ein Außenseiter gewesen, heißt es. „Als wir ihn das erste Mal trafen, war er ein sehr nerdiger Typ mit einer schrecklichen Frisur“, sagte ein ehemaliger Geschäftspartner über den Gründer. Er sei anfangs nicht ernst genommen worden. Das hat sich in dieser Woche nun geändert – weit über China hinaus.