Elektroauto: Elon Musk als Imageproblem für Tesla? Was Kunden wirklich wichtig ist

Elon Musk provoziert mit AfD-Werbung, Nazi-Witze, sogar einem möglichen Hitlergruß. Hat das Auswirkungen auf den Verkauf von Tesla oder kann die Automarke davon profitieren? 

Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de

Elon Musk wirbt für die AfD genauso wie für einen bekannten britischen Rechtsextremen. Zuletzt provozierte der Multiunternehmer mit einem hochgestreckten Arm, der viele Beobachter an den Hitlergruß erinnerte, und legte nur Tage später mit Nazi-Wortwitzen nach. Aktivisten rufen zum Tesla-Boykott auf, Flottenkunden wie Rossmann verzichten nun lieber auf Teslas, Privatkunden distanzieren sich mit Aufklebern auf ihrem Tesla von dessen Chef. Der Marken-Experte Oliver Errichiello ist dagegen überzeugt, dass diese Debatte außerhalb einer kleinen Blase keine Relevanz hat. Musk schadet der Marke Tesla seiner Einschätzung nach nicht über lange Sicht, wie der Professor für Markensoziologie an der Hochschule Mittweida im Gespräch mit ntv.de erklärt. „Auf die globalen Verkaufszahlen wird sich das nicht auswirken. Stand heute baut Tesla weiterhin die erfolgreichsten, vielleicht zweiterfolgreichsten Elektroautos der Welt.“

Mit seiner öffentlichen Radikalisierung verprellt Musk nach Einschätzung des Experten nur einen kleinen Teil der bisherigen Tesla-Kunden – und spricht dafür andere Käufer an. „Für die meisten Kunden ist das aber gar kein Thema“, sagt Errichiello, der das Büro für Markenentwicklung in Hamburg leitet. Die Aufregung um die Äußerungen des Tesla-Chefs sei eine sehr deutsche Diskussion. Zudem sei der hiesige Markt für den US-Autobauer, der den Großteil seiner Elektroautos in den USA und China verkauft, relativ unwichtig.

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Selbst in Deutschland gilt dem Marken-Soziologen zufolge: „Kunden wollen Produkte kaufen, keine politische Haltung, auch wenn es bitter ist.“ Unternehmen hätten in den vergangenen 15 Jahren im Rahmen des sogenannten „Purpose-Marketings“ mit ihren Werbebotschaften für Nachhaltigkeit und Vielfalt vor allem „liberal-grüne“ Milieus angesprochen und auf der anderen Seite viele Verbraucher nicht erreicht oder sogar verärgert. Denn wie in den USA sei auch in Europa und Deutschland die Gesellschaft sehr gespalten.

Den Kunden geht es nicht um politische Ansichten

Da passt Tesla fast zufällig ins Bild, sagt Errichiello. Er selbst teile nicht Musks politische Ansichten, stellt der Marken-Kenner klar – aber ein Teil der potenziellen Kunden, vor allem außerhalb von Europa, eben schon. Viel entscheidender sei für Verbraucher aber ohnehin die Leistung eines Produkts. Zwar unterstützen die meisten Menschen in Umfragen Werte wie Nachhaltigkeit. Im Kaufverhalten schlagen sich die hohen Zustimmungswerte allerdings nicht nieder, wie der Experte klarstellt. „Ansonsten müsste der Verkaufsanteil von Bio-Lebensmitteln bei 80 Prozent liegen und kaum noch jemand mit dem Flugzeug fliegen oder Kreuzschifffahrtsreisen buchen.“

Studien zeigten, dass gegenteiliges Verhalten von Unternehmen, wie etwa bekannterweise schlechte Arbeitsbedingungen, Steuervermeidung oder Skandale um Diskriminierung, nicht zu sinkenden Verkäufen führen. Man dürfe „Empörungswellen in den oft hermetischen Milieus der digitalen Netzwerke nicht mit der Lebenswirklichkeit der Mehrheitsgesellschaft verwechseln“. Beispiele hierfür reichen von Amazon und Apple über Barilla, dessen Chef nicht mit Homosexuellen werben wollte, bis zum VW-Abgas-Skandal. Diese Marken florierten trotz mannigfaltiger „Aufregungswellen“ oder führten das Ranking der Vertrauenswürdigkeit an.

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Tesla und Elon Musk sind eng verknüpft

Zwar ist Tesla stärker als die meisten Marken mit der Person Elon Musk verknüpft, könnte also stärker von dessen verbalen Ausfällen beschädigt werden. Doch „das schleicht sich mit der Zeit aus, vor allem dann, wenn die Marke erneut mit bahnbrechenden Innovationen überzeugt“, vermutet Errichiello. Erfolgreiche Marken, die disruptiv handeln, würden anfangs immer stark mit einer Gründerpersönlichkeit verknüpft. „Aber die Menschen trennen das irgendwann, die Marke wird selbst zur Persönlichkeit.“

Wie der Firmenchef sei für die Marke auch die hohe Innovationskraft inzwischen nicht mehr so relevant wie früher. „Die Zuverlässigkeit ist inzwischen so groß, dass die Autos für den Massenmarkt interessant werden. Den visiert Tesla mit seinen geplanten preiswerteren Modellen ja an.“ Irgendwann in der Breite zu verkaufen, sei von Anfang an das unternehmerische Ziel gewesen.

Für manche der heutigen Tesla-Fahrer handelt es sich deshalb um eine „verschmähte Liebe“, wie es Errichiello formuliert: gestartet als „Mobil des aufgeklärten, gut gebildeten, meistens in Metropolen verhafteten, eher liberal-grünen Bürgertums“ – als Statement, die E-Mobilität voranzutreiben. Dieses Milieu, das jetzt irritiert ist, dass der Unternehmenschef plötzlich andere Positionen vertritt, sei aber sehr abgeschlossen. Errichiello glaubt ohnehin, dass Musk – wie ein „Fähnchen im Wind“ – zu Beginn öffentlich vor allem auf Nachhaltigkeit setzte, um Fördergelder zu erhalten.

Tesla bildet damit keine Ausnahme: Nicht nur bei den meisten Kunden, auch bei den meisten Unternehmen ist es mit den Werbeversprechen nicht weit her. Der Großteil stehe nicht wirklich für die Botschaften, sondern sendete diese in den vergangenen Jahren in der Annahme, ein gutes Bild von sich zu verbreiten, ist Errichiello überzeugt. „In einer gewissen Weise wurde der Zeitgeist ökonomisiert und wird jetzt von vielen Playern wieder fallen gelassen, beispielsweise von Procter & Gamble, Coca-Cola oder Unilever, seitdem andere gesellschaftliche Trends vorherrschend sind.“ Mit ernstgemeinter Transformation und Ethik habe dies nichts zu tun. Auch wenn nun deutsche Firmenkunden ihre Teslas abstoßen, handle es sich vor allem um ein Statement – das dank Leasingverträgen nicht wirklich wehtue, also nicht viel Geld koste.

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In Werbebotschaften könnte sich der Wind angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse bald drehen. Tesla steht Errichiello zufolge aber nach wie vor in erster Linie für Innovation und Sportlichkeit, also nicht für konservative oder gar rechtsextreme Ansichten. Entscheidend für den weiteren unternehmerischen Erfolg ist seiner Einschätzung nach, dass zeitnah das automatisierte Fahren funktioniert.

Ist das „grüne“ Zeitalter vorbei?

Die Vehemenz, mit der Musk aktuell seine Thesen vertritt, und dass er dabei einen gewissen Widerstand in Kauf nimmt, deutet für Errichiello darauf hin, dass es sich heute um echte politische Überzeugungen handelt, er damit also nicht nur unternehmerische Ziele verfolgt.

Ob Musks enges Verhältnis zum US-Präsidenten lange hält, ist angesichts von Donald Trumps 500 Milliarden schwerem KI-Investitionsprogramm ohne eine Beteiligung Musks allerdings schon wenige Tage nach der Amtseinführung fraglich. Wie sich die Beziehung zwischen den beiden weiterentwickelt, ist in Errichiellos Augen aber eigentlich egal: „Trump hat sein Ziel mit dem Wahlsieg erreicht.“ Mit der engen Einbindung des extrem erfolgreichen Unternehmers habe der älter werdende Präsidentschaftskandidat vielleicht auch Menschen erreicht, die Innovation und Aufbruch wollen. „Ein genialer Schachzug“, sagt der Werbefachmann.

Trump und Musk vereine der Wille, gewaltige Veränderungen durchzusetzen, meint Errichiello. Die Nähe der beiden „Alphatiere“ wird seiner Meinung nach jedoch nicht lange gut gehen. Musk werde wahrscheinlich dasselbe Schicksal wie viele Trump-Berater ereilen, zeitnah ausgetauscht zu werden. Der politische Erfolg der gemeinsamen Ansichten hingegen dürfte vorerst Bestand haben. „Das Zeitalter der grünen Positionierung von Marken läuft offenbar aus. Zumindest wird man feststellen, dass die Gestaltungsmacht von Unternehmen nun auch die anderen 50 Prozent des Marktes anvisiert.“