Migrationsdebatte: Aktivisten steigen auf Balkon von CDU-Kreisverband Hannover

Die Migrationsdebatte erregt die Gemüter: In Niedersachsens Landeshauptstadt erklimmen sechs Personen den Balkon des CDU-Kreisverbands – mit Transparenten und Pyrotechnik.

Im Streit um die Migrationspolitik und den Umgang mit der AfD haben Aktivisten in Hannover den Balkon der Geschäftsstelle des CDU-Kreisverbands besetzt. Sechs Menschen seien mit einer Leiter nach oben geklettert und hätten dort Plakate aufgehängt und Bengalos gezündet, sagte eine Polizeisprecherin. Rund 20 weitere Personen versammelten sich vor dem Gebäude und skandierten CDU- und AfD-kritische Parolen.

Die Aktivisten hängten Transparente am Balkon auf, etwa mit der Aufschrift „Knast statt Hilfe, Knüppel statt Schutz – ihr seid das Problem, nicht der „Flüchtlingsfluss““. Damit wollte die Aktivistengruppe die Aufmerksamkeit auf den CDU-Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik lenken, der am Mittwoch mit Hilfe der AfD im Bundestag durchgesetzt wurde. Nach Angaben der Polizei befanden sich während des Vorfalls auch CDU-Mitarbeiter in der Geschäftsstelle.

Die Polizei rückte in einem Großeinsatz an und holte die Aktivisten schließlich vom Balkon. „Sie zeigten sich friedlich, aber nicht kooperativ“, so die Polizeisprecherin. Der Einsatz dauerte rund anderthalb Stunden. Die CDU stellte Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs. Der Inhalt der Plakate stellte nach Einschätzung der Polizei dagegen keinen Straftatbestand dar.

CDU verurteilt Vorgehen

Niedersachsens CDU-Landesvorsitzender Sebastian Lechner verurteilte den Vorfall. „Gewalt und Einschüchterung dürfen in unserer parlamentarischen Demokratie keinen Platz haben“, sagte er laut Mitteilung. Im Streit um die Migrationspolitik forderte er SPD und Grüne auf, verbal abzurüsten. „Wer Meinungsvielfalt predigt, darf nicht schweigen, wenn politische Mitbewerber bedrängt werden.“

Auch Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) kritisierte die Aktivisten scharf. „Dazu sage ich ganz klar: Das geht gar nicht!“, schrieb er auf der Plattform X. „Derartige Besetzungen oder gar Einschüchterung sind nicht Teil der demokratischen Auseinandersetzung, sondern rechtswidrig und nicht hinnehmbar.“ 

Ähnlich äußerte sich Hannovers Regionspräsident und SPD-Vorsitzender Steffen Krach. „Das ist inakzeptabel!“, sagte er laut Mitteilung. „Wir können uns in der Sache hart streiten, aber solche Aktionen haben in einer demokratischen Debatte nichts zu suchen.“

Der niedersächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban gab den beiden Berliner Regierungsparteien dagegen eine Mitschuld an dem Vorfall. Dies sei das Ergebnis, „wenn SPD und Grüne zu Gewalt, Hass und Hetze aufrufen“, schrieb er auf X. „Ihr zündet das ganze Land an. Kehrt um!“ 

Protest gegen Abstimmung im Bundestag

Der CDU-Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik, der am Mittwoch mit Hilfe der AfD im Bundestag durchgesetzt wurde, hatte nur Appellcharakter. Die Empörung über das Vorgehen ist dennoch groß. Zehntausende Menschen gingen danach auf die Straße – unter anderem in Berlin, Freiburg, Hannover und München. 

Die Aktivisten beklagten, dass die CDU mit Faschisten zusammenarbeite: „Die Brandmauer ist eingerissen.“ Ziel sei, eine solidarische Perspektive gegen „diese Menschenfeindlichkeit“ zu setzen: „Statt der CDU könnte in diesem Haus Wohnraum für Geflüchtete sein.“

Ein am Freitag von der CDU zur Abstimmung gestellter Gesetzentwurf für ein „Zustrombegrenzungsgesetz“ fand im Bundestag dagegen keine Mehrheit. Zuvor hatten neben Vertretern von CDU/CSU auch Abgeordnete der AfD, der FDP, des BSW und Fraktionslose Zustimmung signalisiert. SPD und Grüne hatten die Pläne heftig kritisiert.

Friedlicher Protest vor Landes-CDU

Am frühen Abend gab es in Hannover einen weiteren Protest gegen die CDU. Rund 260 Teilnehmer versammelten sich laut Polizei vor der Landesgeschäftsstelle und zogen dann als Demonstration zum Hauptbahnhof. Zwischenfälle habe es dabei zunächst nicht gegeben, sagte ein Polizeisprecher. Es sei alles friedlich verlaufen. 

Anders als die Aktion bei der Kreis-CDU sei die Versammlung auch ordnungsgemäß angemeldet gewesen. Aufgerufen dazu hatten die Initiativen „Studis gegen Rechts“ und „Students for Future“.

Eine weitere Protestveranstaltung gab es am Abend in Wesendorf im Landkreis Gifhorn. Rund 650 Teilnehmer versammelten sich dort nach Angaben der Veranstalter unter dem Motto „Bunt und laut für Demokratie“. Das waren deutlich mehr als die erwarteten 500 Menschen, sagte ein Sprecher der Initiative „Faireint für die Gesellschaft“. Anlass war ein eigentlich geplanter Wahlkampfauftritt von AfD-Chef Tino Chrupalla in dem Ort, der wegen der Abstimmung im Bundestag dann aber ausfiel.