Die SPD stürzt bei der Bundestagswahl in Brandenburg ab, das BSW ist nicht im Bundestag vertreten und die AfD erlebt einen Höhenflug. Das löst eine Debatte über die erste junge Rot-Lila-Koalition aus.
Die bundesweit einzige Koalition aus SPD und BSW in Brandenburg sieht sich trotz der Turbulenzen durch die Bundestagswahl nicht unter Druck. Die CDU-Opposition stellt die Stabilität der Koalition dagegen infrage, weil das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei der Wahl an der Fünf-Prozent-Hürde für den Bundestag scheiterte. SPD und die junge Partei BSW regieren seit Dezember in Brandenburg gemeinsam.
„Wir machen unseren Job für Brandenburg – und das Bundestagswahlergebnis ist ein Bundestagswahlergebnis“, sagte der kommissarische SPD-Generalsekretär Kurt Fischer bei einer Runde der Parteien in Potsdam. Er räumte für seine Partei ein: „Das war eine bittere, bittere Niederlage.“
BSW: „Wir sind jetzt Anker“
BSW-Landesgeschäftsführer Stefan Roth zeigte sich trotz des fehlenden Einzugs seiner Partei in den Bundestag zuversichtlich. „Wir sind jetzt Anker für die Partei, das ist ganz klar“, sagte Roth mit Blick auf Brandenburg und Thüringen. „Ich sehe jetzt auch in keiner Weise, wie die Landesregierung dadurch infrage gestellt ist.“
CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann sagte dagegen: „Da ist der Lack bereits jetzt schon ab.“ Und Linke-Landeschef Sebastian Walter sagte: „Ich gebe dem BSW nicht mehr lange.“
Die AfD ging mit 32,5 Prozent der Zweistimmen als klare Siegerin aus der Bundestagswahl in Brandenburg hervor, gefolgt von der CDU mit 18,1 Prozent. Die SPD, die vor vier Jahren noch vorn lag, kam auf ein historisch schlechtes Ergebnis von 14,8 Prozent und den dritten Platz. Das BSW erreichte in Brandenburg 10,7 Prozent – wie die Linke, die aber auf 36 Stimmen mehr kam. Die Grünen erhielten 6,6 Prozent.
Brandenburg hat künftig 21 statt 25 Abgeordnete im Bundestag: Die AfD stellt 8, SPD und CDU je 4, die Linke 3 und die Grünen 2. Die Wahlbeteiligung war mit 81,5 Prozent die höchste bisher in Brandenburg.
AfD fordert Rücktritt von Woidke
Die AfD in Brandenburg sieht sich als Volkspartei etabliert. Landeschef René Springer forderte, die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz zu beenden. „Eine staatliche Institution, die sich anmaßt, eine Partei zu beobachten, die mehr als ein Drittel der Wähler repräsentiert, das passt eher in totalitäre Systeme denn in demokratische Systeme“, sagte er. Die AfD wird vom Verfassungsschutz in Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.
Der AfD-Landeschef legte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den Rücktritt nahe. „Ihm fehlt die Legitimation, und er wird mit seiner Regierung keine Zukunft haben“, sagte Springer. Die Landesregierung solle die Notbremse ziehen und eine Neuwahl ermöglichen. Springer warf den übrigen Parteien vor, ihre Ausgrenzung der AfD sei gescheitert. Der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas sagte, die Brandmauer werde „zunehmend schwerer aufrechtzuerhalten“.
AfD-Kandidat verpasst Einzug in Bundestag
Die AfD gewann in Brandenburg neun von zehn Wahlkreisen – fast überall mit sattem Vorsprung. AfD-Direktkandidat Andreas Galau verpasste als einer von 23 Bewerbern bundesweit wegen des neuen Wahlrechts den Einzug in den Bundestag: Der Wahlkreis Oberhavel-Havelland II bleibt „wegen ungenügender Zweitstimmendeckung unbesetzt“, teilte die Bundeswahlleitung mit.
Am stärksten war die AfD bei den Zweitstimmen in Jämlitz-Klein Düben im Landkreis Spree-Neiße mit 69,2 Prozent.
Die SPD konnte nur in Potsdam mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ein Direktmandat knapp gewinnen. Der 66-jährige scheidende Kanzler wird voraussichtlich der älteste Abgeordnete im künftigen Bundestag sein.
Landesvize Lange: SPD muss Kurs prüfen
Die SPD-Landesvizechefin Katrin Lange zeigte sich nicht überrascht vom Ausgang der Wahl und forderte Konsequenzen. „Es ist ein Ergebnis mit Ansage – jedenfalls in den Haupttrends“, schrieb sie bei Instagram. „Wenn heute über 80 Prozent der Bürger finden, dass die Verhältnisse in Deutschland Anlass zur Beunruhigung geben, dann hat die SPD darauf nicht die richtigen Antworten gegeben. (…) Die Partei hat Anlass, über ihren politischen Kurs nachzudenken, wenn sie eine Zukunft haben will.“
Lange gilt als mögliche künftige Nachfolgerin von Woidke.
Eine erfolgreiche Zukunft sieht für sich die Brandenburger Linke nach der Krise. Das Comeback sei früher eingetreten als erwartet, sagte der Landesvorsitzende Sebastian Walter. Am besten lief es für die Partei in Potsdam, wo sie mit 17,6 Prozent der Zweitstimmen vorn lag. Bei der Landtagswahl im Herbst verfehlte die Linke den Einzug ins Landesparlament.