Wahlen: „Überrascht mich nicht“ – 200-Seelen-Ort ist AfD-Hochburg

Die AfD gewinnt in Ostdeutschland die Bundestagswahl, mancherorts sehr deutlich. So etwa in Groß Luckow an der Grenze von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Den Bürgermeister überrascht es nicht.

Eine gotische Kirche mit Wandmalereien, ein saniertes Gutshaus und das Gemeinde- und Feuerwehrzentrum – darauf ist die 200-Seelen-Gemeinde Groß Luckow in Mecklenburg-Vorpommern direkt an der brandenburgischen Grenze stolz, wie sie auf ihrer Website betont. Am Montag nach der Bundestagswahl fährt ein Traktorgespann durch den sehr aufgeräumt wirkenden Ort. Drei Wahlplakate von CDU, SPD und BSW sind zu sehen, doch triumphiert hat hier bei der Bundestagswahl eine andere Partei: Dreiviertel der gültigen Zweitstimmen entfielen auf die AfD. Rekord in Mecklenburg-Vorpommern, auch der NDR hatte darüber zuvor berichtet.

„Das überrascht mich nicht wirklich“, sagt Bürgermeister Robert Belz (parteilos) am Tag nach der Wahl. Schon bei vorhergehenden Wahlen habe die AfD Ergebnisse über 60 Prozent erreicht. 

74,7 Prozent für die AfD

Auf 74,7 Prozent ist die AfD dieses Mal gekommen. Demnach haben 71 Menschen in der Gemeinde ihr Kreuz bei der Rechtsaußen-Partei gemacht. Weit abgeschlagen kommt die CDU mit 10,5 Prozent auf den zweiten Platz. In ganz MV kam die AfD dem vorläufigen Endergebnis zufolge auf 35,0 Prozent der Stimmen, deutschlandweit laut vorläufigem Ergebnis auf 20,8.

Den AfD-Rekord für Brandenburg holt das Dorf Jämlitz-Klein Düben in der Lausitz: Dort an der Grenze zu Sachsen bekam die Partei 69,2 Prozent der Zweitstimmen.

In Groß Luckow erklärt Bürgermeister Belz den AfD-Rekord zumindest teilweise mit jungen Wählerinnen und Wählern. Es handele sich um eine sehr junge Bevölkerung. Junge Leute seien an der Wahlurne möglicherweise etwas sprunghafter und eher bereit, ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Doch angesichts einer Wahlbeteiligung von 74,2 Prozent im Ort (95 gültige Stimmen) dürfte auch der eine oder andere ältere AfD-Wähler dabei gewesen sein. 

Blau gefärbter Osten

„Wir haben immer noch die zwei großen Gruppen, die die AfD wählen“, sagt der Rostocker Politikwissenschaftler Wolfgang Muno. „Das sind einmal die überzeugten Rechtsextremisten, die das gut finden, dass die Partei am äußersten rechten Rand des Spektrums steht.“ Dieses Potenzial sei in Ostdeutschland größer als in Westdeutschland. 

„Die zweite Wählergruppe, das sind die chronisch Enttäuschten, die sich abgehängt fühlen, benachteiligt fühlen, schlecht behandelt fühlen, die unzufrieden sind mit Parteien.“ Diesen Menschen mangele es an Vertrauen in den Staat und die Demokratie. Auch dieses Potenzial sei in Ostdeutschland größer als im Westen. Ein Blick auf den am Sonntag blau gefärbten Osten, der sich vom Rest der Bundesrepublik abhebt, scheint dies zu stützen.

Sorgen im ländlichen Raum

In Groß Luckow spielen nach Einschätzung des ehrenamtlichen Bürgermeisters bei der Entscheidung für die AfD Themen eine Rolle, die typisch für den ländlichen Raum sind. So komme etwa das Deutschlandticket städtischen Regionen zugute. Auf dem Dorf könne „man mit dem Ticket auf den Bus warten, der nicht kommt“. 

Ein anderes Thema seien die erneuerbaren Energien. „Da kann ich mir zum Beispiel auch vorstellen, dass auch ältere Leute gesagt haben: „Früher, wenn ich in diese Richtung geguckt habe, da konnte ich bis zum Horizont gucken.““ Jetzt sehe man rings herum in fast allen Richtungen Windkraftanlagen. Den Menschen sei versprochen worden, der Strom werde günstiger. Im Vergleich zu anderen Regionen sei mitunter das Gegenteil der Fall. 

AfD auch anderswo über 70 Prozent

Gleichzeitig stiegen die Spritkosten. „Man ist aber definitiv auf ein Auto angewiesen.“ In Groß Luckow gebe es keine Einkaufsmöglichkeiten, sagt der 37 Jahre alte Inhaber eines Computergeschäfts in Pasewalk. „Ich kenne keinen aus dem Dorf, der jemals ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt, weil das einfach nicht möglich ist.“ Eine Ausnahme sei der Schülerverkehr. Die Menschen wünschten sich mehr Politik im Sinne des ländlichen Raums.

Von den Parteien der ehemaligen Berliner Ampel-Koalition erhielt nur die SPD in Groß Luckow überhaupt Stimmen, nämlich fünf (5,3 Prozent). FDP und Grüne erhielten keine Stimmen.

Laut Landeswahlleitung gab es am Sonntag zwei weitere Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern mit mindestens 70 Prozent AfD-Zweitstimmenanteil: Garz auf Usedom (73,0) und Wrangelsburg (Vorpommern-Greifswald, 72,9).