Selbstzufrieden verkündet Kommissionspräsidentin von der Leyen, wie sie der Autoindustrie helfen will. In Wahrheit beugt sie sich den Managern, die im Markt versagt haben.
Heute stellt die EU-Kommission, angeführt von der deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen, ihren „Aktionsplan für die Automobilindustrie“ vor. Das klingt erst einmal gut: Brüssel tut was, um der Autoindustrie bei der Transformation der Branche zur Elektromobilität neuen Schwung zu verleihen. Aber der Eindruck täuscht: In Wahrheit bergen die avisierten Ziele die Gefahr, dass VW, Audi, Porsche, BMW und Mercedes im Markt nicht vorankommen.
Besonders fatal für die Autobauer ist, dass Ursula von der Leyen sie aus einer strengen Pflicht zum Klimaschutz entlässt. Die Anbieter wissen bereits seit 2022, dass ihre Neufahrzeuge in diesem Jahr durchschnittlich nur noch knapp 81 Gramm CO2 ausstoßen dürfen (genannt: CO2-Flottengrenzwert) – 15 Prozent weniger als in den vergangenen Jahren seit 2020. Der Grenzwert ist Teil des „Green Deals“ der EU, der zum Ziel hat, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Jetzt will die Christdemokratin den Herstellern drei Jahre mehr Zeit schenken, um die neuen CO2-Vorgaben umzusetzen.
Ursula von der Leyen sendet das falsche Signal
Ein kurzsichtiges Präsent. Denn erstens sendet die Kommissionschefin ein falsches Signal in die Branche. Salbungsvoll begründet sie ihre Ideen, es brauche „Planbarkeit und Fairness für die Vorreiter, die erfolgreich ihre Hausaufgaben gemacht haben“. Aber ausgerechnet die deutsche Autoindustrie hat eben nicht ihre Hausaufgaben gemacht. Sie bastelte lieber weiter an margenstarken Monster-SUVs, die viel abwerfen, aber den Flottengrenzwert hoch treiben, statt massentaugliche Stromer auf den Markt zu bringen.
Nun agiert Ursula von der Leyen wie eine deutsche Bildungspolitikerin: Wenn der Notenspiegel zu schlecht ausfällt, senkt man einfach die Anforderungen an die Schüler.
Die Autoindustrie braucht Innovationsdruck
Zweiter Kritikpunkt: Die Kommissionspräsidentin mindert unnötigerweise den Innovationsdruck, der die deutsche Autoindustrie immer sehr stark gemacht hat, etwa bei der Einführung des Katalysators. Peter Mock, Europa-Geschäftsführer des International Council on Clean Transportation (ICCT), sagt, er habe schon zweimal den heftigen Widerstand der Industrie gegen neue CO2-Werte erlebt, 2014 und 2019. Beide Male hätten die Autobauer die Ziele am Ende problemlos eingehalten. Auch das Fachblatt „Auto Motor und Sport“ zeigte sich kürzlich recht optimistisch für den neuen Grenzwert 2025: „Das schaffen, bis auf VW und Renault mit Dacia, wohl die meisten Unternehmen. Selbst Mercedes dürfte gerade noch so durch das Zielfenster rutschen.“
Drittens: Bei VW und Co. könnte sich das Gefühl einschleichen, sie könnten sich noch ein bisschen weiter ausruhen. Dabei müssen sie Vollgas geben, um schnell Klassenbester zu werden im Milliardengeschäft der E-Mobilität. Jeder Tag zählt, denn der Markt wird gerade nicht von EU-Unternehmen beherrscht, sondern von Chinesen und Amerikanern, angefeuert von deren Staatsautokraten. Sie lamentieren nicht, sondern liefern, ziehen weltweit reihenweise E-Auto- und Batteriefabriken hoch. BYD hat 2024 global über vier Millionen E-Autos verkauft, Tesla knapp 1,8 Millionen. BMW folgt, nach weiteren Chinesen, erst auf Platz fünf mit bescheidenen 535.000 Fahrzeugen.
2030 müssen 55 Prozent der Neuwagen elektrisch fahren
Es gibt einen vierten Punkt: Richtig heftig wird der Flottengrenzwert 2030 – wenn nicht auch der wieder kassiert wird. Dann sind nur noch 45,9 g/km erlaubt. Das bedeutet rechnerisch: In diesem Jahr müssen rund 55 Prozent der Neufahrzeuge dann rein elektrisch fahren. Auf diese EU-Vorgabe (und nicht die 2025er) müssten die Hersteller eigentlich längst hinarbeiten, wenn sie den Green Deal ernst nehmen, was sie immer wieder behaupten. VW etwa müsste jetzt alles daransetzen, um seine Volk-Stromer ID.2 und ID.1 schneller auf den Markt zu bringen als 2026 oder 2027, anstatt erst mal für seine Aktionäre die Bilanzen mit mehr Verbrennern und Hybriden hübsch zu machen.
Man kann dem Aktionsplan auch etwas Gutes abgewinnen. So sieht er Zuschüsse aus dem EU-Klimafonds vor, um einkommensschwache Haushalte das Leasing von E-Autos zu erleichtern (Social-Leasing-Programm). Es soll auch ein Gesetz geben, um Firmen die E-Mobilität schmackhafter zu machen. 570 Millionen Euro sollen zudem in den Aufbau der Ladeinfrastruktur fließen. Alles gut und schön, hilft aber nicht gegen die Preisattacken der Chinesen.
Die Rechtsaußen-Parteien in der EU wollen den Green Deal kippen
Parlament und Rat müssen dem Aktionsplan noch zustimmen. Es ist zu erwarten, dass dort noch mehr Zugeständnisse für die alte Autoindustrie und gegen den Klimaschutz eingefordert werden. Denn Europa ist weit nach rechts gerückt. Konservative und Rechtsaußen-Parteien, die nichts mit Klimawandel am Hut haben, waren die Sieger bei der Europawahl 2024. Die Rechte will die Flottengrenzwerte am liebsten ganz abschaffen. Michael Bloss, grüner Energieexperte im EU-Parlament, hält das für eine reale Gefahr. Er kritisiert, dass die Kommission mit auf der Bremse steht: „Statt zu investieren und modernisieren, halten wir an alten Technologien fest und verlieren auch unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Konkurrenten.“
Den nächsten Bremsvorgang leitet Ursula von der Leyen auch schon ein: die mögliche Verschiebung des Verbots für nicht-emissionsfreie Neuwagen (fälschlich „Verbrennerverbot“ genannt), das 2035 kommen soll. Sie nennt das „Technologieoffenheit“. In Wahrheit bedient sie damit die Klimaleugner mit Benzin im Blut, die sich wünschen, dass möglichst lange alles so bleibt, wie es ist. Der Green Deal steht auf der Kippe. Das wird mit dem Aufweichen der CO2-Vorgaben im Verkehrssektor gerade allzu deutlich.