Energie: Saubere Energieversorgung? Hessen will Fusionsreaktor bauen

Umweltbelastung bei fossiler Energie, zeitweise Dunkelflaute bei Solaranlagen und Windrädern? Hessen möchte ergänzend eine neue Spitzentechnik erforschen. Umweltschützer sehen das kritisch.

Hessen möchte in Biblis langfristig einen Kernfusionsreaktor bauen. Das geht aus einer Absichtserklärung eines neuen Runden Tisches zu dieser Zukunftstechnik unter Berufung auf das Sondierungspapier für die angestrebte schwarz-rote Bundesregierung hervor. In diesem heißt es: „Wir wollen die Fusionsforschung stärker fördern. Unser Ziel ist: Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.“ Von hessischen Umweltschützern kam Kritik.

Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte laut Mitteilung beim nicht öffentlichen Auftakttreffen von Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft beim stillgelegten südhessischen AKW Biblis, laserbasierte Kernfusion sei eine Schlüsseltechnologie für eine saubere und wirtschaftliche Energieversorgung. „Wir brauchen einen technologieoffenen Energiemix, denn die Sonne scheint nicht immer, und der Wind weht nicht dauernd. Nur wenn Energie jederzeit verfügbar ist und für jedermann bezahlbar bleibt, können wir unseren Wohlstand sichern“, ergänzte Rhein.

Rhein: Nicht nur aussteigen, sondern auch wieder einsteigen

„Die Kernfusion kann dabei der Gamechanger sein und den entscheidenden Durchbruch bringen“, betonte der Regierungschef. „Wir dürfen nicht überall aussteigen, sondern müssen auch wieder einsteigen.“ Biblis solle zu einer Keimzelle für die Energieversorgung „made in Hessen“ werden. Die „Landesregierung stellt dazu in diesem Jahr bis zu 20 Millionen Euro für die Erforschung der Kernfusion bereit“, erklärte Rhein. Außer staatlichen Investitionen sollten auch Fördergelder von Bundes- und EU-Programmen sowie private Mittel genutzt werden.

Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) verwies bei dem Gespräch beim AKW Biblis, das schon seit Jahren abgerissen wird, auf den wachsenden weltweiten Energiebedarf: „Neben dem Ausbau der Wind- und Solarenergie setzen wir deshalb auch auf Investitionen in Zukunftstechnologien wie die laserbasierte Kernfusion.“ Mit Unternehmen wie Focused Energy in Darmstadt und „den exzellenten wissenschaftlichen Einrichtungen vor Ort haben wir Akteure, die in der internationalen Fusionsforschung Maßstäbe setzen“, ergänzte Mansoori, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist.

BUND: „Unrealistischer, teurer und strahlender Traum“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Hessen sprach von einem „unrealistischen, teuren und strahlenden Traum“ und forderte einen Stopp jeglicher Förderungen. Laut dem BUND-Physiker Werner Neumann stellen Studien infrage, „ob ein Kernfusionsreaktor jemals dauerhaft laufen kann. Das Fusionsmaterial Tritium (radioaktiver Wasserstoff) kommt nicht natürlich vor und muss im Kernfusionsreaktor erst erzeugt werden.“ Neumann fügte hinzu: „Ein Motor, der seinen Sprit selbst erzeugen muss, aber dies nicht kann, wird nie laufen.“ Zudem falle auch bei Kernfusion radioaktiver Atommüll an, für den es keine Konzepte zu einer sicheren Lagerung gebe.

Bei der Kernfusion werden kleine Atomkerne, anders als in Reaktoren von herkömmlichen Atomkraftwerken, bei extremen Temperaturen verschmolzen statt gespalten – also fusioniert. Weltweit wird daran geforscht, wie die Kernfusion zur Energiegewinnung genutzt werden kann.