Darf man Likör verkaufen, auf dem ausdrücklich steht, dass es kein Eierlikör ist? Die Spirituosen-Industrie sagt „Nein“ und verklagt ein Hamburger Start-up. Doch das wehrt sich.
Nein, nein, es handle sich nicht um einen April-Scherz, betont Ole Wittmann am Telefon. Die Eierlikör-Klage sei leider echt, „so absurd sich das auch anhört“. Der 47-Jährige leitet das kleine Hamburger Spirituosen-Start-up Warlich, das bislang vor allem für Rum bekannt war. Das Label, benannt nach dem legendären Tätowierer und Gastwirt auf St. Pauli, Christian Warlich, hat in den vergangenen Jahren verschiedene Szenepreise gewonnen, unter anderem bei den World Rum Awards in London.
Nun aber hat Wittmann juristischen Ärger mit dem Thema Eierlikör. Wobei mit dem „Warlich Eierlikör“ selbst alles in Ordnung ist. Probleme gibt es hingegen mit der veganen Alternative „Warlich Likör ohne Ei“, die seine Firma vor zwei Jahren auf den Markt brachte. Denn während die Tierschutzorganisation Peta das Produkt 2024 zum „besten veganen Likör“ kürte, möchte die Eierlikör-Industrie es verbieten.
Ist der wahre Eierlikör bedroht?
Der „Schutzverband der Spirituosen-Industrie“ hat Klage gegen Warlich eingereicht, weil er die geschützte Bezeichnung Eierlikör verletzt sieht. Nach dem Willen der Lobbyorganisation soll der Likör ohne Ei vom Markt verschwinden. „Der Verband behauptet, unser Produktname und der Hahn auf dem Etikett wären eine unrechtmäßige Anspielung auf den geschützten Begriff ‚Eierlikör'“, sagt Wittmann. „Aber wenn man einen Likör ohne Ei herstellt – warum sollte man den nicht auch so nennen?“
Ja, warum eigentlich nicht? Der Spirituosen-Verband verweist auf das Lebensmittelrecht, genauer gesagt auf die Spirituosenverordnung der EU, die unter anderem regelt, dass ein Eierlikör Eier enthalten muss. „Veganen Eierlikör gibt es nicht“, sagt Christofer Eggers, Rechtsanwalt des Schutzverbands, auf Anfrage des stern. „Jede Bezugnahme auf die geschützte Bezeichnung ist verboten – egal ob eine Irreführung der Verbraucher vorliegt, oder nicht.“ Und nach Auffassung des Spirituosenverbands liegt diese Bezugnahme eben auch vor, wenn man explizit „ohne Ei“ aufs Etikett schreibt, weil ja doch die Assoziation geweckt werde.
Ein klagefreudiger Verband
Dass Wittmann seinen Likör gar nicht als Eierlikör bezeichnet, ist dem Verband egal. Auch dass Warlich nach einer ersten Unterlassungsaufforderung auf Werbung wie „schmeckt nach Eierlikör“ verzichtet, reicht ihm nicht aus. Geklagt wird trotzdem. Die Unbarmherzigkeit des Verbandes dürfte mit ihrer Mitgliederliste zu tun haben, in der sich große Spirituosenhersteller tummeln. Erster Vorsitzender ist William Verpoorten, Chef des gleichnamigen Eierlikörriesen aus Bonn, der mutmaßlich wenig Interesse daran hat, dass sich vegane Alternativen am Markt etablieren.
Der juristische Weg hat sich dabei für Verpoortens Verband bisher als sehr effektiv erwiesen. So erreichte der Schutzverband bereits 2023, dass die Firma Grote & Co. Spirits ihren veganen „Eyy Likör“ wieder vom Markt nahm. Und vergangenes Jahr war der Verband mit einer Klage gegen das Start-up Veggly ebenfalls erfolgreich. Das Landgericht Hamburg verbot Veggly, sich als „vegane Alternative zu Eierlikör“ zu vermarkten und untersagte die Verwendung des Begriffs Eierlikör in sämtlichen Varianten. Auch indirekte Anspielungen und die Kombination mit Begriffen wie Alternative oder vegan verstießen gegen den Bezeichnungsschutz, urteilte das Gericht (Az. 406 HKO 76/23). Der Verband sei überzeugt, dass somit auch Warlichs „Likör ohne Ei“ vom Gericht einkassiert werde, sagt Anwalt Eggers.
Warlich startet Crowdfunding-Kampagne
Warlich-Macher Wittmann will es nun darauf ankommen lassen und gerichtlich klären lassen, ob die Buchstaben des Gesetzes wirklich den gesunden Menschenverstand schlagen. „Man sollte die Leute nicht für dumm verkaufen. Ich bin sicher, dass sie den Unterschied verstehen“, sagt Wittmann. Daher will er sich nicht kampflos geschlagen geben.
Weil ihm als Ein-Mann-Unternehmen die finanziellen Ressourcen fehlen, um die potenziell teure Klage auszufechten, hat er eine Crowdfunding-Kampagne aufgesetzt. So will er 39.000 Euro für die Deckung der Prozesskosten sammeln. „Wenn ich vor Gericht gewinne und die Gegenseite die Prozesskosten tragen muss, spende ich alles nach Abzug der Kosten an den Deutschen Tierschutzbund“, verspricht Wittmann.
Bis zur gerichtlichen Klärung vertreibt Wittmann das eifreie Produkt vorerst nicht, um keine Rückrufaktion zu riskieren. Er ist aber zuversichtlich, dass er die Flaschen – samt Hahn auf dem Etikett – wieder in den Handel bringen darf. Bei dem Motiv handle es sich wie bei allen seiner Etiketten um eine Hommage an den verstorbenen Tattoo-Pionier Warlich, sagt Wittmann. „Und dass ein Hahn keine Eier legt, das weiß doch jeder.“