Wie in „Game of Thrones“: Wissenschaftler züchten ausgestorbenen Schattenwolf – oder etwas in der Art

Der Schattenwolf ist seit Jahrtausenden ausgestorben – bis jetzt? Genforscher wollen die Art wiederbelebt haben. Als Nächstes steht ein Mammutprojekt an. Buchstäblich.

Nirgendwo ist die Vergangenheit so lebendig wie hier: ein 2000 Hektar großes, von einem drei Meter hohen Zaun, Drohnen und Sicherheitsleuten bewachtes Gehege irgendwo in den Vereinigten Staaten. Es ist das geheime Revier dreier junger, schneeweißer Wölfe.

Die Geschwister dürften eigentlich gar nicht existieren. Ihr Genmaterial, zumindest ein Teil davon, gehört zu einer Art, die seit fast 13.000 Jahren ausgestorben ist. 

Ist Aenocyon dirus, der Schattenwolf, das erste erfolgreich zum Leben wiedererweckte Tier in der Geschichte? So etwas in der Art.

Schattenwolf – ein seit Jahrtausenden ausgestorbener Räuber

Wer in den 2010ern häufiger den Fernseher eingeschaltet hat, dürfte sie schon einmal gesehen haben, die majestätischen Tiere. Beziehungsweise eine überdimensionale Fantasy-Variante, die treuen Begleiter der Stark-Kinder, der Protagonisten in der Erfolgsserie „Game of Thrones„. 

Fabelwesen waren die „dire wolfs“ (englisch für „schreckliche Wölfe“) allerdings nie. Die massigen Räuber streiften tatsächlich im Pleistozän durch weite Teile Amerikas – vom heutigen Venezuela im Süden bis hinauf nach Kanada. Sie hatten „einen etwas breiteren Kopf, ein helles, dichtes Fell und einen kräftigeren Kiefer“ als ihre modernen Vettern, wie ihre Schöpfer erklären. Die Brüder, hier mit drei Monaten, sind unter anderem deutlich größer als moderne Wölfe ihres Alters
© Colossal Biosciences

Für dieses gleichzeitig faszinierende wie erschreckende Wunder ist das texanische Biotechunternehmen Colossal Biosciences verantwortlich. Deren Wissenschaftler wollen zwei vollständige prähistorische Sätze Erbgut aus „einem 13.000 Jahre alten Zahn und einem 72.000 Jahre alten Schädel“ entnommen haben. Dann hätten sie den biologischen Bauplan eines Grauwolfs, des nächsten lebenden Verwandten, an mehreren Stellen verändert, geklont und schließlich Mischlingshündinnen eingesetzt. Die gebaren dann sozusagen ihre Artverwandten. In Form der beiden inzwischen sechs Monate alten Brüder Romulus und Remus und ihrer vier Monate jüngeren Schwester Khaleesi. Am Ende seien lediglich 20 Anpassungen an 14 Genen notwendig gewesen. Ein Grauwolf hat etwa 19.000 Gene.

Wann ist ein Original ein Original?

Zwar weisen die drei Tiere Merkmale auf, die sie merklich von Grauwölfen unterscheiden: ihr dichtes Fell, ihr ungewöhnliches Heulen, ihre muskulösen Beine, ihr breiter Kiefer, ihre schiere Größe – bis zu 70 Kilogramm könnten sie ausgewachsen auf die Waage bringen. 

Aber reicht das, um als Original zu gelten?

„Es ist kein Geheimnis, dass das Genom zu 99,9 Prozent vom Grauwolf stammt, sagt der am Projekt beteiligte Forscher Love Dalén von der Universität Stockholm dem US-Sender CNN. Natürlich würde man in der Branche nun diskutieren, wie groß die genetische Abweichung sein muss, um als „echter“ Schattenwolf zu gelten. Aber das sei „eine philosophische Frage“.

Fest steht: Auf dem Papier sind die drei Hybride weitaus näher mit dem Grau-, als mit dem Schattenwolf verwandt. 

„Um etwas wirklich wieder aufleben zu lassen, müsste man es klonen, erklärt Nic Rawlence von der neuseeländischen Universität Otago. „Das Problem ist, dass wir ausgestorbene Tiere nicht klonen können, weil die DNA nicht gut genug erhalten ist.“

In jedem Fall seien die ersten beiden im Oktober 2024 geborenen Schattenwölfe „ein gewaltiger Meilenstein“ gewesen – und erst der Anfang, betont Ben Lamm, Mitbegründer und CEO von Colossal Biosciences.

Als nächstes: ein Mammutprojekt

Das in Dallas ansässige Unternehmen arbeitet seit Jahren daran, ausgestorbene Tierarten wiederzuerwecken, darunter Dodos, Tasmanische Tiger – und Mammuts. Seitdem ein Harvard-Genetiker die Firma 2021 gründete, soll Colossal mehr als 435 Millionen Dollar Forschungsgelder gesammelt haben. Erst Anfang März hatte das Unternehmen gentechnisch veränderte Mäuse präsentiert, die mammutähnliches Fell trugen. Bis 2028 soll dann ein echter Vertreter der zotteligen Elefantengattung über die Erde wandeln.

Dabei behauptet das Unternehmen, noble Ziele zu verfolgen. Romulus und Remus (benannt nach den Gründern Roms, die laut der Mythologie ein Wolf großzog) und ihre Schwester Khaleesi (nach einem fiktiven Herrschertitel aus „Game of Thrones“) würden lediglich ihren „rechtmäßigen Platz in unserem Ökosystem einnehmen“, schreibt die Firma auf ihrer Website. Es ginge darum, dem menschengemachten Artensterben entgegenzuwirken. So soll die Forschung auch noch existierenden, aber stark gefährdeten Arten helfen. Das Center for Biological Diversity, eine NGO zum Schutz der Artenvielfalt, geht davon aus, dass bis 2050 mehr als ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten aussterben werden.

Die Erkenntnisse, die die Forscher beim Mammutprojekt gewönnen, könnten sie etwa eines Tages nutzen, um robustere Elefanten zu züchten, deren Lebensraum vom Klimawandel zerstört wird, hieß es. Erst kürzlich gab Colossal bekannt, mittels einer neuen Klontechnik zwei Würfe vom Aussterben bedrohter Rotwölfe gezüchtet zu haben.

Übrigens: Von Dinosauriern ist in dem Biotechunternehmen nicht die Rede. Noch nicht.

Quellen: Colossal Biosciences; CNN; „New York Times„; „Time„; DPA