Hurrikan „Melissa“: Katastrophengebiet Karibik: „Nimand kommt und versorgt dich“

Hurrikan „Melissa“ ist aus Jamaika und Kuba abgezogen. Geblieben sind Wassermassen, Matsch und Hunger. Die Menschen sind verzweifelt. Bilder aus dem Katastrophengebiet.

Nach heftigen Verwüstungen durch Hurrikan „Melissa“ in der Karibik ist die Zahl der Toten auf rund 50 gestiegen. Allein im besonders stark getroffenen Jamaika wurden nach Angaben von Informationsministerin Dana Morris Dixon vom Donnerstagabend (Ortszeit) 19 Todesopfer bestätigt. In Haiti wurden 30 Tote gezählt. Mittlerweile steuert „Melissa“ auf die Bermudainseln zu.

Die Opferzahlen könnten auf Jamaika in den kommenden Stunden und Tagen noch deutlich steigen. Noch immer sind vielerorts Gemeinden von der Außenwelt abgeschnitten. Nach einem Bericht der Zeitung „The Gleaner“ steckten am Donnerstag Dutzende Autofahrer und Rettungskräfte auf der Holland Bamboo Avenue im Bezirk St. Elizabeth fest. Umgestürzte Bambusrohre hätten den auch bei Touristen beliebten rund vier Kilometer langen natürlichen Tunnel aus Bambuspflanzen versperrt. Über mehr als 24 Stunden sei kein Durchkommen möglich gewesen.

„Das hier ist Holland Bamboo. Es gibt keine Geschäfte, keine Restaurants, niemand fährt herum und versorgt dich mit Essen. Also trinken wir Kokoswasser“, zitierte die Zeitung eine Frau, die den Sturm an ihrem Arbeitsort in der Stadt Junction ausgesessen hatte und auf dem Rückweg zu ihrer Familie war. Es gebe keinen Handyempfang. Sie wisse nicht, ob ihr Haus den Hurrikan überstanden habe und ob ihre Kinder in Sicherheit seien. „Ich bin verwirrt und besorgt. Ich möchte nach Hause“, sagte die Frau dem Bericht zufolge.

Hurrikan „Melissa“: So heftig war kein Sturm der letzten 90 Jahre

„Melissa“ hatte Jamaika und Kuba mit enormer Wucht getroffen. Am Dienstag traf der Sturm als Hurrikan der höchsten Kategorie 5 in Jamaika auf Land. Ministerpräsident Andrew Holness erklärte den Karibikstaat zum „Katastrophengebiet“, die Vereinten Nationen sprachen von Zerstörungen in nie dagewesenem Ausmaß. Anschließend zog der Wirbelsturm nach Kuba weiter, wo er nach den Worten von Präsident Miguel Díaz-Canel „beträchtliche Schäden“ anrichtete.

In Kuba, Jamaika, Haiti und der Dominikanischen Republik sei weiterhin mit Überschwemmungen zu rechnen, erklärte das NHC. Für die Bahamas wurde ein Rückgang der Überflutungen erwartet.

Mit „Melissa“ war in Jamaika erstmals seit 90 Jahren ein Hurrikan mit derartiger Stärke auf Land getroffen, wie eine Auswertung von Daten der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA) durch die Nachrichtenagentur AFP ergab. Der „Labour Day“-Hurrikan, der 1935 die Inselkette Florida Keys im Süden der USA verwüstet hatte, war – wie „Melissa“ – mit 300 Stundenkilometern und einem minimalen Luftdruck von 892 Millibar auf Land getroffen.

Wissenschaftlern zufolge ist der menschengemachte Klimawandel für die Intensität des Hurrikans verantwortlich. Die Erderwärmung erhöhe zudem die Wahrscheinlichkeit für Wirbelstürme wie diese um das Vierfache, hieß es am Mittwoch in einer Schnellanalyse des Grantham Institute am Londoner Imperial College.