Flussthermie: Sind unsere Flüsse der Schlüssel für die Wärmewende?

Durch etliche Städte fließt ein Fluss. Warum nicht einfach die Temperatur darin fürs Heizen nutzen und die Wärmewende ist gelöst? Klingt genial, ist aber gar nicht so einfach.

Mit Wärme aus Flüssen sollen künftig Zehntausende Haushalte in Deutschland beheizt werden. In Städten wie Köln, Jena oder Bamberg gehen die Planungen für Flusswärmepumpen in teils großen Dimensionen voran. Mancherorts wie in Mannheim, Berlin, Rosenheim oder Lemgo sind bereits Anlagen in Betrieb. Fließt durch unsere Städte der Schlüssel für die Wärmewende – und was bedeutet das für die Heizrechnung? 

Wie viel Wärme schlummert in den Flüssen in Deutschland? 

Theoretisch ziemlich viel. In Bayerns Flüssen etwa liegt das Potenzial laut einer von der Energie- und Wasserwirtschaft in Auftrag gegebenen Studie bei bis zu 340 Terawattstunden jährlich – und damit höher als der Bedarf für Raumwärme und Warmwasser im Freistaat. Demnach könnte etwa jede Fünfte Gemeinde ihren Wärmebedarf über einen Fluss in der Nähe decken. 

Das lasse sich generell auf ganz Deutschland anwenden, auch wenn es aktuell noch keine bundesweite Analyse gebe, heißt es vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Es komme darauf an, wie viel Wasser durch einen Fluss fließe und wie stark man das Wasser abkühlen könne. Dazu gibt es derzeit keine einheitlichen Standards. Auch die Wirtschaftlichkeit der Anlagen begrenzt laut Experten die Nutzung der vorhandenen Wärme. 

Wie weit sind wir bei der Nutzung? 

Aktuell sind schon einige Flusswärmepumpen in Betrieb. Allerdings werden damit noch eher wenige Haushalte beheizt. In Mannheim etwa rechnet der Energieversorger MVV mit 3.500 Haushalten, deren Fernwärme derzeit aus dem Rhein kommt. Mit der Flusswärmepumpe werden drei bis fünf Prozent des Energiebedarfs für die Fernwärme in der Stadt gedeckt, sagt Projektleiter Felix Hack. Das solle aber künftig mit weiteren Wärmepumpen gesteigert werden. 

In Köln ist die laut dem Versorger Rheinenergie die größte Flusswärmepumpe Europas geplant: bis zu 50.000 Haushalte sollen damit ab 2027 beheizt werden. Auch in der thüringischen Großstadt Jena wollen die Stadtwerke auf die Wärme der Saale setzen und damit die Hälfte des Energiebedarfs in der Fernwärme decken. „Flussthermie ist ein wesentlicher Baustein, aber nicht die alleinige Lösung“, sagt Strategiechef Christian Dornack. Erforderlich sei ein Energiemix. Einige Städte setzen dabei etwa auf Wasserstoff oder Tiefengeothermie. 

Was bedeutet das für die Heizrechnung? 

In Mannheim etwa habe die Wärmepumpe keinen großen Effekt auf die Fernwärmepreise für Verbraucher, sagt Felix Hack. Aktuell mache sie nur einen kleinen Teil der Wärmeerzeugung in der Stadt aus. Und: „Im Betrieb ist die Wärmepumpe in der Regel günstiger, als Gas direkt zu verbrennen.“ Inwiefern der Betrieb ohne Förderung wirtschaftlich sei, hänge aber auch von der langfristigen Entwicklung des Strompreises ab. 

Die Anschaffung der Anlagen ist jedoch teuer – und läuft meist nur mit Fördergeldern. „Aktuell ist uns keine Anlage der Flusswärmenutzung bekannt, die ohne Förderung realisiert wird“, heißt es vom BDEW. Auch in Jena ist nach Ansicht von Dornack Förderung nötig. „Nur so kann die Transformation für die Menschen bezahlbar bleiben.“ In Köln sollen insgesamt rund 280 Millionen Euro investiert werden. Davon sind rund 100 Millionen Euro Fördergeld.

Wie und wo funktioniert die Technik? 

Heizwerke an Fließgewässern mit Großwärmepumpen funktionieren nach demselben Prinzip wie kleinere Wärmepumpen im Gebäudebereich – nur, dass sie die Wärme eben nicht aus der Luft, sondern aus dem Wasser ziehen.

Dem Flusswasser wird ein Teil seiner gespeicherten Wärme entzogen und auf ein zum Heizen nutzbares Temperaturniveau gehoben. Der Strom für die Wärmepumpen soll aus regenerativen Quellen wie Windkraft, Photovoltaik- und Biogasanlagen kommen. Das entnommene Wasser wird nach Angaben von Versorgern weder verbraucht noch chemisch behandelt noch im Zustand verändert. Anschließend wird es leicht abgekühlt den Flüssen zugeführt. 

In Mannheim etwa werden im Mittel 800 Liter Rheinwasser pro Sekunde genutzt und um zwei bis drei Grad abgekühlt. Dabei ist es kein großer Unterschied, ob das Wasser zu Beginn fünf oder 15 Grad warm ist, erzählt Hack. Nur darunter werde die Wärmemenge weniger. Das komme im Rhein aber selten vor. 

Generell hält der BDEW alle fließenden Gewässer, auch kleinere, für die Pumpen geeignet. In Lemgo werde beispielsweise ein Bach genutzt. Hack weist aber darauf hin, dass die Kosten für die Erschließung erst mal groß seien. Sprich: wirtschaftlich macht es wohl vor allem an größeren Flüssen und dort an bestehenden Kraftwerkstandorten Sinn. Gegen kleinere Flüsse spricht laut der bayerischen Potenzial-Studie auch, dass es dort im Winter und damit in der Heizperiode eher Probleme mit zu niedrigen Temperaturen geben könnte. 

Gibt es Auswirkungen auf die Umwelt? 

In Mannheim fließt das genutzte Rheinwasser abgekühlt zurück – gemessen an der Gesamtmenge an Wasser im Rhein habe das aber nahezu keinen Einfluss, sagt Hack. Grundsätzlich sei eine Abkühlung eher förderlich für die Ökologie, da der Rhein und andere Flüsse tendenziell immer wärmer werden. Das Mannheimer Projekt sei von Anfang an sehr akzeptiert gewesen. Das liege aber auch am schon bestehenden Kraftwerkstandort. „An einem naturnahen Gewässer wird es tendenziell schwieriger.“

Es gibt aber auch schon Überlegungen dazu, wie oft man einen Fluss unterwegs abkühlen kann. Solche Gedanken macht sich etwa Christian Dornack in Jena. Wenn beispielsweise die Stadt Halle oberhalb der Saale auch eine Flusswärmepumpe baue, müsse man überprüfen, was das flussabwärts bedeute. Dennoch meint er: „Jede Kommune in der örtlichen Nähe eines Flusses sollte das Potenzial einer Flusswärmepumpe überprüfen.“