Die Zahl der gesprengten Geldautomaten sinkt – in Niedersachsen und auch bundesweit. Der niedersächsische LKA-Chef Friedo de Vries warnt: Die Täter haben es nicht nur auf Deutschland abgesehen.
Der erfolgreiche Kampf gegen Geldautomatensprengungen führt nach Einschätzung des niedersächsischen Landeskriminalamts zu Ausweichbewegungen der Täter in andere Länder. „Österreich ist aktuell ein Hotspot“, sagte LKA-Präsident Friedo de Vries der Deutschen Presse-Agentur bei einer dreitägigen Fachtagung. In dem Alpenland sei die Zahl der gesprengten Geldautomaten in den ersten beiden Monaten des Jahres schon zweistellig, es sei davon auszugehen, dass es um „im Wesentlichen die gleiche Täter-Klientel“ wie bei den Fällen in Deutschland gehe.
Möglicherweise auch Kunstraub
Feststellbar seien zudem erste Tendenzen, dass die Täter nicht allein in andere Länder auswichen, sondern von den Geldautomaten auch zu Juwelieren, Kunsthandlungen oder Museen übergingen, sagte de Vries. Er verwies auf den spektakulären Kunstraub aus einem Museum im niederländischen Assen, wo Einbrecher Ende Januar den Eingang gesprengt und wertvolle antike Kulturschätze aus Rumänien gestohlen hatten.
Zu der dreitägigen Konferenz kamen mehr als 120 Expertinnen und Experten aus 14 Bundesländern und sechs Staaten. Ausrichter waren die Polizeidirektion Osnabrück und das LKA Niedersachsen, gefördert wurde die Tagung vom EU-Projekt „ISF Lumen“, die Federführung hat das LKA Baden-Württemberg.
Täter vor allem aus den Niederlanden
Die Ausweichbewegungen seien bislang hauptsächlich nach Österreich zu beobachten, sagte de Vries. Nachdem die Täter ihre Aktionen aus Niedersachsen in die südlichen Bundesländer verlegt hätten, zögen sie offensichtlich weiter in angrenzende Länder. Wie zuvor in Niedersachsen würden die Taten niederländischen Banden zugerechnet, die überwiegend aus dem Raum Utrecht stammten. Insgesamt gehe die Polizei davon aus, dass die Gruppen bis zu 600 Menschen zählen, die arbeitsteilig und in wechselnden Rollen für die Sprengungen verantwortlich sind.
Letztlich handele es sich um ein Geschäftsmodell „Sprengungen“ – mit dem Ziel, möglichst hohe Beute zu erzielen, sagte de Vries. Die Akteure seien gut vernetzt und skrupellos. Sie organisieren seinen Worten zufolge Fahrzeuge, bereiten den Sprengstoff vor, außerdem gibt es „Außendienstmitarbeiter“, die die Sprengungen umsetzen. Auch seien die Ermittler interessiert am „Buchhalter“, der Gelder vorstrecke, aber auch für die Verwertung der Beute zuständig sein dürfte. „Inzwischen sind die Täter Profis im Umgang mit Sprengmitteln, setzten immer größerer Mengen mit unglaublicher Sprengkraft ein“, sagte er.
Laut LKA verfestigte sich der Trend zur Sprengung von Geldautomaten mit festen Explosivstoffen. Diese machen demnach mittlerweile über 85 Prozent aller entsprechenden Taten in Deutschland aus.
Bundesweit weniger gesprengte Geldautomaten
Die Anpassung des Sprengstoffgesetzes und damit einhergehende stärkere Ermittlungsbefugnisse für die Polizei begrüßte de Vries. Aber: „Wir müssen die Verfügbarkeit von Explosivmitteln deutlich reduzieren, Logistikketten besser kontrollieren.“
Bundesweit sinkt die Zahl der gesprengten Geldautomaten, in ganz Deutschland habe es im vergangenen Jahr weniger als 300 Fälle gegeben – nach knapp 500 ein Jahr zuvor, sagte de Vries. In Niedersachsen sank die Zahl der gesprengten Geldautomaten im vergangenen Jahr auf 19, nach 39 Fällen ein Jahr zuvor und 68 Fällen im Jahr 2022. Im laufenden Jahr waren es nach Angaben des Landeskriminalamts bis zum Stichtag 27. Februar drei Taten.
Perspektivlose junge Menschen offensichtlich leicht zu verführen
Ziel sei, die Netzwerke der Kriminellen mit länderübergreifender Zusammenarbeit aufzuhellen, sagte de Vries. Dafür sei der Datenaustausch auf nationaler und europäischer Ebene notwendig – das gelte auch für Erkenntnisse zu den Geldflüssen. Dabei dürfe der Datenschutz kein Hindernis werden, mahnte er.
Wichtig sei aber auch die Prävention: Vor allem junge Menschen mit migrantischem Hintergrund und manchmal einer gewissen Perspektivlosigkeit ließen sich verführen – mit Geld und großen Autos. In den Niederlanden gebe es aber erste Erfolge, einige junge Menschen seien aus dem Milieu herausgeholt worden: „Es ist sehr schwer, Jugendliche zu überzeugen, den kriminellen Kreis zu verlassen“, betonte de Vries.