Airbus A321LR: Von Hamburg nach Abu Dhabi: Wie ein Jet an eine Airline übergeben wird

Mit einem Festakt hat Etihad Airways in Hamburg den ersten Langstreckenjet auf Basis der A321 erhalten. Anschließend wurde der Flieger nach Abu Dhabi überführt. Wir waren an Bord.

Ort des Übergabe-Rituals: Das Auslieferungszentrum auf dem Airbus Gelände in Hamburg-Finkenwerder, in dem früher Airlines die riesigen A380 erhielten. Ende Juli dient das Gebäude als Bühne für die in Abu Dhabi beheimatete Etihad Airways, die den ersten von 30 bestellten A321LR bekommt. Das Besondere an diesem Flugzeug: Das Kürzel LR steht für „Long Range“, denn drei Zusatztanks im Rumpf erhöhen die Reichweite auf 7400 Kilometer. 

Und erstmals bietet dieser Flugzeugtyp neben Economy und Business Class auch zwei Suiten mit Schiebetüren in einer First Class an, wie es nur in manchen Großraumflugzeugen üblich ist.

Der Gamechanger für Etihad Airways

Während der kurzen Pressekonferenz erklärt Airline-Chef Antonoaldo Neves, warum dieser Flugzeugtyp die Basis für eine neue Wachstumsstrategie bildet: „Erstmals bringen wir Widebody-Luxus auf ein Narrowbody-Flugzeug und können so unser Premium-Erlebnis auf noch mehr Destinationen ausweiten.“

Mit nur 160 Sitzplätzen an Bord können Strecken bedient werden, auf denen sich der Einsatz eines Großraumflugzeugs mit doppelter Kapazität nicht rentieren würde. Die A321LR eröffnet damit neue Märkte und lässt Frequenzerhöhungen ohne großes Risiko zu. Noch in diesem Jahr werden die neuen Jets auf den Routen nach Düsseldorf und Zürich zum Einsatz kommen. „Das ist ein Gamechanger für Etihad“, so Neves.

Vor den 80 Gästen, darunter viele Etihad-Mitarbeitende aus Abu Dhabi, die ihre Einladung bei einer internen Verlosung gewonnen haben, gibt es Ansprachen unter anderem von Benoît de Saint-Exupéry, Executive Vice President Sales of Commercial bei Airbus, und einem Vertreter von Aircap, dem irischen Finanzierungsunternehmen, das Flugzeuge kauft und an Airlines vermietet.

Nach den Reden der Anzugträger erfolgt die Zeremonie der Präsente: Untereinander werden Flugzeugmodelle und Geschenke mit eingravierten Daten ausgetauscht, wobei der CEO von Etihad spontan von der Bühne springt und es an eine Mitarbeiterin weitergibt, die mit ihrem Team das Flugzeug abgenommen hat.

Understatement im Interieur

Nach einer knappen halben Stunde betritt das Joker-Quartett die Bühne und spielt das „Air“ von Johann Sebastian Bach. Als die Musikerinnen zu Pop-Rhythmen wechseln, fällt plötzlich der Vorhang hinter ihnen: Das Publikum hat erstmals Sicht auf das Flugzeug und strömt in der Nachmittagssonne nach draußen. 

Es klicken die Handys und Fotoapparate. Über die vordere Treppe betreten die Gäste endlich die Kabine der A321LR, die ganz auf Passagierkomfort ausgelegt ist, und werden von weiteren Flugbegleitern begrüßt. Der neue Jet riecht ähnlich wie ein neues Auto, nur überwiegen die exotischen Düfte arabischer Parfüms. 

Es dominieren die Farben Grau, Beige und Braun. Auf Gold, Holzimitat und Bling-Bling, wie bei anderen Airlines aus den Golf-Staaten, wird bewusst verzichtet. Vorne im Cockpit stehen die Piloten Abdulla, Michel und Ziad Rede und Antwort. In allen drei Klassen sind vereinzelt Gerichte aufgetischt – ein Vorgeschmack auf das Catering für den Ferry Flight am nächsten Tag?

Flug EY3210 XFW-AUH 

Am Folgetag fährt um 9.40 Uhr der Bus mit Fluggästen auf das Airbusgelände zum kleinen Terminal (XFW), wo die werktäglichen Shuttle-Flüge von und nach Toulouse abgefertigt werden. Nach der üblichen Sicherheitskontrolle gehen die 78 Passagiere an Bord. Doch der Start verzögert sich bis 10.40 Uhr, bis Eurocontrol eine Slot-Zeit freigegeben hat.

In wenigen Minuten schwebt der nur halb besetzte Jet über die sommerlichen Regenwolken und nimmt Kurs nach Südosten in Richtung Balkan. An Bord herrscht eine gelöste Stimmung. Die Flugbegleiter servieren selbst in der Economy Class einen Pappbecher mit Champagner.

Schon bald bilden sich Grüppchen, die meisten kennen sich. Neben Etihad-Mitarbeitenden sind internationale Luftfahrtjournalisten und Airline-Blogger auf diesem Sonderflug an Bord. Am Vorhang zur Business Class steht Arik De, der Chief Revenue and Commercial Officer von Etihad, und gibt gefühlt über zwei Stunden Interviews.

Mit an Bord ist auch Delivery Senior Manager Mohammed al Marzouqi, der die Einflottung des neuen Flugzeugtyps begleitet hat. Bereits vor einem halben Jahr, als die ersten Rumpfteile zusammengefügt wurden, waren zwei Mitarbeiter aus Abu Dhabi in Finkenwerder stets dabei, bis vor zwei Wochen vier weitere zum Check aller Systeme und der Kabine hinzukamen. Bemängelt wurden nur Kleinigkeiten wie zu lockere Sitzlehnen. Dann gab es den Erstflug, den über 90 Minuten dauernden Production flight.

Das mehrstufige Abnahmeverfahren besteht aus umfangreichen Tests bis zum Customer Acceptance Flight, der mit dem Piloten Abdulla vor vier Tagen erfolgte. Einen Tag vor der Zeremonie erfolgte dann der Transfer of Title, die Übertragung des Eigentümerrechts.

Südroute nach Abu Dhabi

Auf der Höhe von Griechenland wird ein warmes Essen – Braised beef short ribs – gereicht, der Kaffee über Zypern serviert und Israel südlich umflogen. Teilweise herrscht Gegenwind von mehr als 100 km/h. 

Wegen hohen Verkehrsaufkommens in Abu Dhabi dreht der Jet über dem Persischen Golf Warteschleifen, bevor er im letzten Licht des Tages auf dem Zayed International Airport nach 6 Stunden und 49 Minuten aufsetzt. Als der Umkehrschub die Maschine abbremst, klatschen fast alle Passagiere – wie bei einem Ferienflug nach Mallorca.

Die Freude ist groß, denn der neue Airbus wird nicht am neuen X-förmigen Midfield Terminal (AUH), sondern am „Presidential Terminal“ von Mitarbeitenden mit Fähnchen erwartet. Der rote Teppich ist ausgerollt. Doch die Aussteigenden trifft in der Dunkelheit ein Schlag ins Gesicht: Es herrschen 40 Grad Celsius und hohe Luftfeuchtigkeit. Sofort beschlägt das Objektiv.

Etihad wird 2025 jeden Monat ein weiteres Exemplar dieses Typs mit 160 Sitzen erhalten und neue Routen erschließen. Kurz zuvor hatte Billigflieger Wizz Air angekündigt, seine Basis in Abu Dhabi nach vier Jahren zu schließen und alle zwölf Maschinen zum 1. September abzuziehen. Deren Konzept mit enger Bestuhlung von 239 Sitzen im Airbus A321neo ist nicht aufgegangen. Etihad setzt dagegen in den Emiraten auf Komfort und Service.

Die Recherchereise wurde unterstützt von Etihad Airways. Dies hat unsere redaktionelle Unabhängigkeit in keiner Weise beeinflusst.