Nach einem Beinbruch ist die Bergsteigerin Natalia Nagovitsyna am Jengish Chokusu gefangen. Bei dem Rettungsversuch kam es zu einem tödlichen Unfall.
Die Bergsteigerin Natalia Nagovitsyna sitzt seit zwölf Tagen mit einem gebrochenen Bein am Jengish Chokusu, dem „Siegesgipfel“ in Kirgisistan, fest. Die Hoffnungen auf ihre Rettung schwinden, da die Rettungsbemühungen wegen schlechten Wetters abgebrochen werden mussten.
Natalia Nagovitsyna hatte am 12. August den Gipfel des Jengish Chokusu erreicht. Mit 7439 Metern über dem Meeresspiegel ist er der höchste Berg des Tian-Shan-Gebirges. Natalia Nagovitsyna ist eine erfahrene Bergsteigerin, die bereits mehrere Siebentausender bestiegen hat. Der Jengish Chokusu stellte jedoch eine besondere Herausforderung dar, nicht nur wegen seiner Höhe, sondern auch wegen der unberechenbaren Wetterbedingungen. Beim Abstieg brach sie sich ein Bein. Einem Rettungsteam gelang es, sie zu erreichen und mit Vorräten zu versorgen, doch aufgrund der schlechten Bedingungen konnte sie nicht evakuiert werden. Der italienische Bergsteiger Luca Sinigaglia starb am 15. August bei dem Versuch, Nagovitsyna zu helfen.
Rettungsversuch führte zum Tod
Luca Sinigaglia kehrte zweimal zum Gipfel zurück, um seiner Freundin Natalia Nagovitsyna wichtige Vorräte zu bringen, darunter ein Zelt, einen Schlafsack, Wasser, Lebensmittel und einen kleinen Gaskocher. Er starb schließlich an Sauerstoffmangel und Unterkühlung in einer kleinen Höhle.
„Luca hat großen Mut bewiesen. Er hätte nie jemanden zurückgelassen, vor allem nicht Natalia, mit der er sehr eng verbunden war“, sagte Sinigaglias Schwester Patrizia Sinigaglia. „Es war eine Tat, auf die man stolz sein kann, die ihm leider nicht ermöglichte, zu uns zurückzukehren. Aber das war Luca.“
Nagovitsyna wurde zuletzt unweit des Gipfels von einer Drohne gesichtet. Wegen des immer schlechter werdenden Wetters mit starkem Schneefall wurde die Suche am Wochenende ausgesetzt.
Der Jengish Chokusu liegt an der Grenze zwischen Kirgisistan und China. Er ist der nördlichste Siebentausender und gilt wegen der kalten und rauen Bedingungen als extrem schwer zu besteigen. Der Jengish Chokusu, auch als Pik Pobeda bekannt, ist nicht nur eine geografische, sondern auch eine symbolische Herausforderung für Bergsteiger, da er in der Sowjetzeit als „Siegesgipfel“ gefeiert wurde. Der Gipfel gehört zu den fünf Siebentausendern der ehemaligen UdSSR, den sogenannten Schneeleoparden. Nur etwa 700 Menschen, darunter rund 30 Frauen, haben alle fünf Gipfel bestiegen.
Bergsteigerin verlor ihren Mann
Neben der aktuellen Tragödie ist dies nicht das erste Mal, dass Natalia Nagovitsyna einen schweren Verlust in den Bergen erleiden musste. Ihr Ehemann, Sergei Nagovitsyn, starb nach einem Schlaganfall bei dem Versuch, den Khan-Tengri zu bezwingen. In einer früheren Dokumentation über ihre Expeditionen ist zu sehen, wie Natalia sich weigerte, ihren sterbenden Mann zu verlassen und mit einem Rettungsteam abzusteigen. „Ich werde meinen Mann nicht verlassen. Er ist völlig hilflos“, sagte Nagovitsyna in der Dokumentation. Sie fügte hinzu: „Wissen Sie, ich hatte keine Angst vor dem Tod. Ich hatte Angst davor, behindert zu sein, dass ich Erfrierungen bekomme, dass sie mir Arme und Beine amputieren und was ich dann tun werde!“ Unter den Rettern damals war auch Luca Sinigaglia.
Der russische Bergsteigerverband erklärte, eine Rettung sei ein „Wunder“. Vizepräsident Alexander Pjatnizyn sagte, es „wird fast unmöglich sein, sie zu retten. Es gibt einen drei Kilometer langen Grat, und in einer solchen Situation braucht es mindestens 30 Leute, um dort eine Person zu bergen.“