Umwelt: Wie Kommunen ihr Streuobst unter die Leute bringen

Auf kommunalen Streuobstflächen in Hessen reifen Früchte in Hülle und Fülle. Damit sie auch verwertet werden, geben immer mehr Städte und Gemeinden die Bäume zur Ernte frei.

Süße Mirabellen, knackige Äpfel und saftige Birnen, und das alles gratis – wer in Hessen Streifzüge durch die Natur unternimmt, darf sich mancherorts an der schmackhaften Vielfalt heimischer Obstsorten bedienen. Pflücken und Naschen ist dort ausdrücklich erlaubt. Statt an oder unter den Bäumen zu verrotten, sollen die Früchte lieber für Marmeladen, Kuchen oder Obstsalat genutzt oder einfach direkt vor Ort verspeist werden.

So lädt das Projekt „Wetterauer Ernte(n)“ seit fünf Jahren dazu ein, Obst auf kommunalen Flächen zu pflücken. Weil zum Start in Karben nicht nur die Resonanz der Bürger sehr positiv ausfiel und keine Schäden auf Streuobstwiesen entstanden, wurde das Projekt seit 2022 Schritt für Schritt ausgeweitet, wie eine Sprecherin des Wetteraukreises auf Anfrage mitteilte. Inzwischen beteiligen sich auch Reichelsheim, Münzenberg, Echzell, Altenstadt, Florstadt, Glauburg und Limeshain an der Initiative, und zwei weitere Kommunen haben sich für kommendes Jahr bereits vormerken lassen.

Hunderte Bäume in Wetterauer Projekt einbezogen

In Karben, Münzenberg, Reichelsheim und Echzell konnten Erntewillige schon seit Juni unter anderem bei Kirschen, Mirabellen und Zwetschgen zugreifen. Ab dem Sommer 2026 kommenden Jahres seien alle im Rahmen des Projektes freigegebenen Flächen dann ganzjährig je nach Reife der Arten nutzbar, so die Sprecherin. Derzeit und in den kommenden Wochen finden die Bürgerinnen und Bürger Äpfel, Walnüsse, Zwetschgen, Mirabellen, Kirschen, Birnen und Speierling vor. Zur Apfelernte sind 15 Flächen freigegeben – insgesamt rund 550 Bäume umfasst das Projekt bisher. Überwiegend stehen sie auf Streuobstwiesen und teils in Baumreihen und sind an Markierungen wie gelben Punkten und Kreuzen erkennbar.

Bei dem Projekt geht es aber um mehr als Gratis-Obst. Vielen Menschen werde durch „Wetterauer Ernte(n)“ erst bewusst, dass es nicht erlaubt ist, einfach so fremde Bäume abzuernten, erklärt die Sprecherin. Einige fragten sogar beim Landschaftspflegeverband Naturschutzfonds des Wetteraukreises an, unter welchen Bedingungen und wo die Ernte gestattet ist – oft auch, um Kontakte zu den Eigentümern herzustellen.

Verband und Kommunen wünschen sich überdies auch mehr Interesse und Engagement bei der Pflege des für die Artenvielfalt so wichtigen Kulturgutes Streuobstwiese. Dafür werben sie auch auf Hinweistafeln und mit Informationsmaterialien. Denn die Pflege der Bäume und Flächen ist auch wegen fehlenden Nachwuchses vielerorts eine Herausforderung.

Kostenloses Obst nur für den Eigenbedarf in Limburg

Eine ähnliche Initiative gibt es auch in Limburg, und auch dort wird das Angebot dankend angenommen, wie eine Stadtsprecherin berichtet. Äpfel, Birnen und Renekloden, Walnüsse und Kirschen, Mirabellen und Sauerkirschen finden und fanden die Bürgerinnen und Bürger hier für ihren Eigenbedarf in dieser Saison vor, ein gewerblicher Verkauf der Früchte ist nicht erwünscht.

Gepflegt und zurückgeschnitten werden die Limburger Bäume von einem nur dreiköpfigen städtischen Team, daher sei es nicht möglich, alle Bäume gleichzeitig zu bearbeiten, was bei den Bürgern teils auf Unverständnis stoße, so die Sprecherin. Die Maßnahmen würden aber Schritt für Schritt umgesetzt. Dass auf solchen Flächen hohes Gras stehe, sei gewollt, um die ökologische Vielfalt zu erhalten. „Im Gegensatz zu einem englischen Zierrasen handelt es sich hier um wertvolle Naturflächen, die zahlreichen Pflanzen- und Insektenarten Lebensraum bieten“, erklärte die Sprecherin.

Aber nicht nur eine schonende Pflege, sondern auch ein achtsamer Umgang vor allem zur Erntezeit sei wichtig. Hinweistafeln sollen das Bewusstsein dafür stärken. „Insgesamt beobachten wir, dass der Großteil der Erntenden mit Rücksicht und Respekt handelt, sowohl gegenüber der Natur als auch gegenüber den Regeln, die ihren Schutz sichern sollen“, erklärte die Sprecherin.

Apfelversteigerung in Bad Vilbel

Die ebenfalls zum Wetteraukreis gehörende Stadt Bad Vilbel geht derweil eigene Wege bei der Obstvermarktung. Dort konnten interessierte Bürgerinnen und Bürger kürzlich bei einer Apfelversteigerung für die Früchte mehrerer Bäume zum Selbstpflücken bieten. Nach Angaben eines Stadtsprechers geht es bei diesen Events, die Bad Vilbel bereits seit vielen Jahren unter großem Interesse von Bürgerinnen und Bürgern veranstaltet, weniger um Geld, sondern vor allem um die Gaudi für die Teilnehmenden und darum, dass mit dem Obst etwas Sinnvolles geschieht. „Wir könnten die Äpfel gar nicht alle nutzen, deshalb machen wir das seit Jahren.“

„Einfach nur ernten greift zu kurz“

Beim Regionalverband FrankfurtRheinMain begrüßt man solche Initiativen grundsätzlich. „Sie können Menschen begeistern und zum Aktivwerden animieren“, erklärt Rouven Kötter, Erster Beigeordneter des Regionalverbands. Zugleich mahnte er einen achtsameren Umgang und mehr Engagement für den Erhalt der Streuobstwiesen an: „Einfach nur ernten greift da zu kurz“, erklärte Kötter. Neben positiven Effekten von Projekten wie „Wetterauer Ernte(n)“ gebe es auch negative Rückmeldungen wie abgerissene Äste, platt gefahrene Wiesen und sogar zurückgelassenen Müll. „Es überwiegen aber die guten Erfahrungen, insbesondere dann, wenn bei den Aktionen direkt auch Verhaltensregeln für Streuobstwiesen mit kommuniziert werden.“

Die durchaus arbeitsintensive viel Pflege von Streuobstflächen könne Freude bereiten, guttun und Spaß machen, wie Kötter aus eigener Erfahrung weiß. „Wenn man dann leckere Früchte ernten und zu Marmelade, Saft oder Apfelwein verarbeiten kann, dann ist das ein Stück Heimat im Glas, das man ganz besonders genießen wird.“ Über Ernte-Projekte könne diese Begeisterung geweckt werden. „Dann werden wir auch wieder mehr Menschen für die wichtige Pflege gewinnen können“, hofft Kötter.