Podcast „Die Lage – International“: Verteidigung: Exporte Mölling fordert Pflichteinsatz für alle

Die Bundeswehr braucht dringend mehr Soldaten, um wieder verteidigungsbereit zu werden. Doch wie? Experte Christian Mölling hält einen Zwang zum Dienen für den falschen Weg.

Käme es heute zu einem Angriff auf Nato-Gebiet oder gar Deutschland, wäre die Bundeswehr nicht verteidigungsbereit. Darüber sind sich Sicherheitsexperten einig. Neben fehlendem Material (Panzer, Munition) ist das größte Problem der Soldatenmangel. Rund 183.000 Soldaten und Soldatinnen zählt die Truppe. 

Um die vereinbarten Nato-Ziele zu erreichen, müsste die Bundeswehr laut Verteidigungsminister Boris Pistorius bis 2035 auf mindestens 240.000 bis 260.000 Soldaten und Soldatinnen „aufwachsen“. Doch bislang schafft sie es nur mit Mühe, die jährlichen Abgänge (durchschnittlich 20.000) wieder auszugleichen.

Was muss geschehen? Darüber tobt seit Monaten eine heftige Debatte. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht reaktiviert werden muss.

Der Sicherheitsexperte Christian Mölling hält diesen Ansatz für falsch. „In der jetzigen Diskussion reden wir nur noch über die Frage ‚Zwang oder Freiwilligkeit im Wehrdienst‘ und nicht über die Frage: Was ist das größere Ganze? Warum sollen die das eigentlich machen?“, sagt Mölling, Senior Advisor beim Brüsseler Thinktank „European Policy Centre“, im stern-Podcast „Die Lage – International“.

„Misslungene Werbekampagnen“ der Bundeswehr

Jungen Menschen müsse erklärt werden, warum sie das Land verteidigen sollen. „Wenn die diese Motivation gar nicht haben, sind sie potenziell schlechtere Soldatinnen und Soldaten“, so Mölling.

Der Politologe kritisierte die bisherige Personalpolitik der Bundeswehr scharf. Diese habe „eine lange Geschichte der misslungenen Werbekampagnen hinter sich“, die die Personaldecke nicht vergrößert habe: „Und das Einzige, was ihr jetzt einfällt, ist, zu sagen, wenn die nicht freiwillig kommen, zwinge ich sie dazu.“

Auch den Vorschlag einiger Grünen-Politiker, ein „gesellschaftliches Pflichtjahr“ im Zivil- und Wehrbereich für Menschen bis 28 einzuführen, hält Mölling für zu kurz gegriffen. Er plädiert für die Einführung eines „Zivilschutzdienstes“ für die gesamte Bevölkerung.

Vorbild Schweden: Zivilpflicht für alle

„Wenn man in andere Länder schaut, dann haben die das schon lange verstanden“, sagt der Politologe unter Verweis auf Finnland und Schweden. Dort würden Menschen von Jung bis Alt geschult, „zu wissen, was im Konfliktfall zu tun ist“. Verglichen dazu sei die deutsche Debatte eine „Luxusdiskussion“. 

Mölling schlägt deshalb vor, sich an den skandinavischen Modellen zu orientieren. So wurde etwa in Schweden 2017 neben der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht (für Männer und Frauen) eine „Zivilpflicht“ etabliert. Alle Schweden von 16 bis 70 sowie auch Personen ohne schwedische Staatsbürgerschaft, die in diesem Alter in Schweden leben, müssen Zivilschutzübungen absolvieren und können im Ernstfall dazu herangezogen werden. 

Ähnliches sollte nach Ansicht von Mölling auch in Deutschland eingeführt werden. „Wir brauchen auch die anderen Zweidrittel der Gesellschaft, die aktiv an der Verteidigung dieses Landes teilnehmen – die müssen wissen, worum es geht“, so Mölling.